«Basta che si sta bene» – Hymnen an die Basilicata und Oden an den Reichtum der Genügsamkeit

«Basta che si sta bene.» – «Hauptsache, es geht einem gut.» Die zierliche, kaum 1,50 Meter grosse Frau in schwarzem Gewand (die übliche Tracht der Witwen, die bis vor kurzem praktisch alle Frauen trugen), streicht sich über das von Falten zerfurchte Gesicht und schaut in die Ferne. Sie sagt es immer wieder, als ob sie ihre Erzählungen damit noch unterstreichen möchte. Meine Erfahrung ist, dass es meistens keine Floskel ist, wenn alte Menschen hier das sagen. Madanuen merkt schnell, wer es auch so meint. Sie berührt mein Handgelenk und schaut meine Freundin liebevoll an. Junge Leute geben alten Menschen, so interpretiere ich ihr Reden oft, die Hoffnung, dass das Leben weitergeht und nicht alles umsonst war.

Margherita ist gut 75 Jahre alt, von Krankheiten, Mühen und Arbeit gezeichnet und strahlt so viel Freude und Resilienz aus, ihr Blick fesselt und dringt direkt ins Herz. Sie sitzt auf einer kleinen Bank vor ihrem Haus – viele würden es als eine armselige Hütte bezeichnen, weitab vom Dorf gelegen. Ich erahne im Inneren ein Wohnzimmer mit Küche, das abgetrennte Schlafzimmer und Abort. Was braucht es mehr?

Ihr Mann, mit dem sie seit ihrer Jugend auf diesem Hof gelebt hat, den sie nie weiter als bis zum Dorf verlassen hat, ist vor ein paar Tagen verstorben. Gnadenvoll, an einem Herzinfarkt – bei der Arbeit. Ich bin beeindruckt, dass sie zwar traurig wirkt, aber nicht klagt. Vergilbende Fotos erzählen von vergangenen Zeiten.

Wir haben hier angehalten, weil meine Freundin kurz kondolieren wollte. Die Familien kennen sich, der Sohn bringt ab und zu Käse ins Dorf. Touristen werden kaum je hier vorbeifahren, frage ich. Der Sohn wird uns später berichten, dass sich sehr wohl immer wieder einmal Touristen, Biker etwa, auf der Durchreise einfinden, und wer hier anhält, ist von der Gastfreundschaft, aber auch der besonderen Ausstrahlung dieser Frau beeindruckt. So sehr, dass ein Fotograf der National Geographic, der einen Bericht über Matera illustrieren wollte, sie sogar bei der Käseherstellung abfotografiert hat.

Sonst sicher auch andere Touristen: «touristi» – das sind Abgewanderte Familien und Angehörige, die über Sommer oder an Festtagen zurückkommen und mal aufs Land fahren. Und der Zufall will es, dass auch ein Paar aus der Toskana anwesend ist. Es braucht keine bis wenige Worte, ich war fast selbstverständlich Gast und setzte mich neben die alte Frau, die uns mit Wangenküsschen begrüsst und die Kondolenzwünsche dankbar entgegengenommen hat.

«Basta che si sta bene»: Es reicht vollauf, dass es einem gut geht. Gemeint ist mit diesem Satz nicht das Materielle. Das Wertvollste ist die Gesundheit, das Leben; alles andere ist halt so, wie es ist: Leute wie diese Frau mit ihren biblischen Gesichtern sind ein Leben der Entbehrung, der «fatica» – der Mühsal – gewohnt, kennen aber auch noch den Reichtum der Genügsamkeit.

Während ich ihr zuhöre, beginne ich mich vage daran zu erinnern, dass ich ihr als Kind schon einmal begegnet bin und erzähle es ihr. Ich weiss nicht, was sie versteht. Ich kann den Dialekt zwar immer besser verstehen, aber nicht sprechen. Und: Sie hört kaum, sie ist quasi taubstumm nach einer Krankheit in ihren jungen Jahren, sagt man mir. All das irritiert sie aber in keiner Weise. Sie spricht in einem alten Dialekt, schnell, unentwegt und fixiert mich liebevoll mit ihren lebendigen Augen. Ab und zu verstehe ich etwas und sie scheint auch mein Wohlwollen zu verstehen. Eine wunderbare, tiefgründige menschliche Begegnung. Ich möchte den Moment am liebsten festhalten.

Ich fühle mich in der ganzen Szenerie aufgehoben und glücklich, vergesse die Zeit und lausche ihren Ausführungen über ihren Mann und den Verlust. Will sie nun von hier weg? Auf keinen Fall – das Leben geht weiter. Ein Hund bellt, Hühner rennen um die Wette.

Vollends dazugehörig fühlt man sich, wenn man im Kollektiven Gedächtnis verortet werden kann: «Zu wem gehörst Du?» ist die Frage in dieser Gegend, wenn man davon ausgeht, dass man im Dorf verwandtschaftlich – über Blut, Heirat oder Patenschaft – Bezüge hat. Also nicht «wer bist Du?», sondern die Zugehörigkeit ist zur Identifikation von Interesse. Das mag so manchen irritieren, mich fasziniert es ungemein – vermutlich auch deshalb, weil es das bald nicht mehr geben wird. Wie die Gepflogenheit, dass man Leuten aufgrund besonderer Eigenschaften und Merkmale Übernamen verleiht und diese dann sogar geläufiger werden als der richtige Name. Diese Taufe habe ich leider noch nicht erlebt; ausser «Lo Svizzero», wenn man über mich spricht, habe ich bisher noch nie gehört. Aber ich kann doch mit einem gewissen Stolz den Übernamen meiner Nonna, nennen, forme Zunge und Lippe genüsslich, um es im lokalen Dialekt zu sagen, so dass praktisch jeder vom Fleck weg die Sippe identifizieren kann. Dahin gehöre ich; ihr Sohn in der Schweiz und so weiter. Sie nickt zufrieden, mehr braucht sie nicht zu wissen.

Die alte Dame will uns natürlich etwas zu Trinken anbieten. Die Höflichkeit gebietet es, dass wir das akzeptieren. Sie erhebt sich und bewegt sich in kleinen Schritten zum Eingang des Hauses, schiebt den Tuchvorhang beiseite und verschwindet in der Behausung. Ich staune immer wieder, wie alte Menschen hier – selbst in dieser Einsamkeit – leben. Selbständig, würdevoll, trotz aller körperlichen Qualen. Es hat immer alles zwei Seiten.

Die Sonne steht zwar schon tief; bald wird es wieder einen dieser spektakulären Sonnenuntergänge geben. Ich mache mir etwas Sorgen, wie ich dann im Dunkeln der windungsvollen Strasse folgen werde. Es ist noch immer heiss. Es ist unglaublich still hier, nur «Naturtöne»: Eine Herde von Schafen blökt in einem grossen Gehege, der Hund bellt und rennt auf dem staubigen Platz ums Haus. Bis der Sohn der Frau von der Weide zurückkommt, hat er hier das Sagen. Hier wird noch hausgemachter Pecorino produziert, ohne Label, ohne Herkunftsbezeichnung, aber so echt wie die hier Verbliebenen, erdverbunden, demütig.

Ich spüre, wie ich für einen Moment innerlich sozusagen ganz Mensch werde – wovon alles müsste ich mich lösen, um so leben zu können, wie diese Leute hier? Was bezeichne ich alles als ein «Problem», wovon ich hier nicht einmal erklären könnte? Hat die gute Frau schon einmal Stunden damit verschwendet, um sich für ein Mobiltelefon zu entscheiden und Kontakte mit dem PC zu synchronisieren oder an abstrakten Problemen an einem Computer herumstudiert und deswegen nicht geschlafen? Nicht zum ersten Mal gelingt es mir nämlich überhaupt nicht, zu erklären, was ich beruflich tue – was ich tue, um mein Brot zu verdienen, um genauer zu sein – und eine adäquate Antwort zu finden auf die Frage, wie es mir gehe. «Sto bene» – «Es geht mir gut.» Wirklich?

Die Probleme hier sind so viel konkreter und man trägt sie. Ich führe oft Gespräche mit alten Menschen. Mit viel Respekt – wissend, dass es dies bald nicht mehr geben wird. Mich berühren solche Begegnungen menschlich und rufen in mir existenzielle Fragen hervor. Was braucht es eigentlich wirklich im Leben? Wenn diese Menschen nicht mehr sind, was werden ihre Nachfahren ihren Kindern erzählen? Denn bis zu ihnen war es doch annähernd immer gleich – die Geschichte, die sich im Kreis bewegt, bis der Fortschritt sie durchbrochen hat. Einschneidend. Das fängt schon bei den Dingen für den täglichen Bedarf an: Jemand stellte sie her, gab sein handwerkliches Geschick, seine Kreativität hinein, verwirklichte sich so auf seine Weise. Kreativität hat nützliche Aspekte und ermöglicht ein würdiges Dasein. Die Menschen so einer Gesellschaft sind agil, suchen sich immer irgendwie zu helfen. Geld braucht es nur wenig, denn jemand anderes konnte dafür anderes besser. Heute braucht es Geld, um alles zu kaufen; es kommt von irgendwo her. Hilfe kostet heutet. – Was bei uns schon längst geschehen ist, vollzog sich hier radikal in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg, mit dem Aufschwung – besonders des Nordens. Den Süden galt es zu verlassen. Der Fortschritt redete den Kindern der Bauern und Hirten in den Schwarz-weiss-Dokumentationen ein, dass das Landleben keine Zukunft hat, dass es ein unwürdiges, dreckiges Leben ist. Sogar der alte Feudaladel liess nun das ausgebeutete Volk im Stich. – Heute werden die lokalen Produkte – man spricht nun von Enogastronomie – wieder geschätzt und gefördert. Doch auch dafür braucht es Geld.

Ich habe den Eindruck, Margherita hat sich über den Besuch sehr gefreut. Sie steht wieder auf, öffnet hält den Vorhang auf. Ich kann gerade noch verhindern, dass sie uns noch mehr herausbringen will – Salsiccia, Käse. «Nein-nein, wir haben schon gegessen» (was nicht stimmt). Arme Menschen teilen gerne und viel. Wir sollten aufbrechen.

Immer wieder höre ich es: Früher hatten hier alle einfach nichts und trotzdem schien man zufriedener und es herrschte ein Mindestmass an Zusammenarbeit und gelebter Nachbarschaft. Und dazwischen wurde auch gefeiert. Denn dann hatte man auch Grund dazu. Vermutlich ist jetzt wirklich arm, wer heute arm ist.

Wir versprechen, wiederzukommen. Nachdenklich fahren wir im Sonnenuntergang über die Landschaft. Eine eindrückliche Begegnung bei einem Zwischenstopp nach einer Fahrt über die staubigen Strassen zwischen Calanchi und Macchia. An solchen Orten wird kaum je ein Tourist vorbeikommen, geschweige denn halten. Hier hält niemand, der keinen Grund hat. Manchmal aber braucht es wohl einen grundlosen Halt – geben solche Begegnungen nicht Halt im Leben eines Suchenden?


Die Basilicata ist etwas wie der kleine Hof in der Nähe von Pomarico. Lange sagte man von der Gegend, dass man da nur hinreiste, wenn man einen Grund hatte. Und immer wieder machten Reisende wie ich die Erfahrung: Wenn man mal da war, konnte es einem geschehen, dass man nach Gründen suchen musste, warum man sie verlassen soll. Es sind tiefgreifende, existenzielle, ja menschliche Erfahrungen, Eindrücke und Begegnungen, wenn man sich auf die Leute, die Traditionen und Bräuche, auf all die Sinneseindrücke und die Landschaften dieser Gegend eingelassen hat.

Schattenseiten

Die Basilicata beeindruckt durch ihre Wildheit und die meisten Touristen dürften sich damit begnügen, die Fassade zu bestaunen. Das Wort ist nicht falsch zu verstehen und wirkt hier fast etwas paradox, denn die Basilicata fasziniert gerade durch ihre Authentizität. Es ist also legitim, dass Touristinnen und Touristen hier etwas suchen und finden, was es andernorts kaum mehr gibt.

Doch wer sich verliebt, der lässt sich auf etwas ganz anderes ein: Da ist sie wieder, die «amara terra», die geliebte, aber Erde. Wer sich verliebt, zähmt sein Gegenüber und raubt ihm gewissermassen seine Wildheit, wie das uns der «Kleine Prinz» gelehrt hat. Man geht das Wagnis ein, sich zu öffnen und sich einander vertraut zu machen. Dazu gehört auch der Schmerz, hinter die besagte Fassade zu schauen. Was an Problemen im Süden vorhanden ist, gilt selbstverständlich für das Herz Süditaliens ebenso.

Warum wundert man sich, wenn die Abwanderung junger Menschen anhält und sogar wieder zunimmt? Da ist sie wieder, die «amara terra», die geliebte, aber bittere Erde.

Da ist das alte Misstrauen der Menschen gegenüber dem Staat und seinen Strukturen; ein gegenseitig schwieriges Verhältnis. Wer zahlt schon gerne Steuern, wenn er ständig das Gefühl hat, benachteiligt zu sein oder mit dem Geld Dinge zu finanzieren, die ihn nichts angehen? Dass der öffentliche Service so dünn ist, damit hat man sich schon längst abgefunden; selbst die offensichtlich verbesserten Verkehrsinfrastrukturen können das Gefühl des Abgehängtseins nicht wirklich aus den Köpfen treiben. Und umgekehrt, warum versickern Gelder auf dem Weg in den Süden oder werden Förderungen, Gebühren und Vorschriften nicht etwas standortsensibler, statt von Nord bis Süd gleichermassen, angewendet, so dass Menschen mit den spezifischen Problemen vor Ort eine echte Chance hätten? Denn es gibt hier so viele ehrliche und fleissige Menschen, die ihr Land nicht verlassen möchten und sich trotz aller Umstände engagieren. Gerade in Matera staune ich oft über die zahlreichen kleinen Unternehmen, die sich kürzlich erst etabliert haben.

Wundert man sich, dass Investitionen ausbleiben, Junge abwandern angesichts schwieriger sozialer, politischer und kirchlicher Strukturen, in welchen Vetternwirtschaft, Klientelismus, Schwarzarbeit und Korruption ihr Unwesen treiben und dafür sorgen, dass sich scheinbar so wenig ändern will? Rocco Papaleo fordert in seiner Hymne der Basilicata (siehe dazu auch hier), die nichts und nicht einmal dieses zu haben scheint, man solle ihr eine «Scheibe dieser Mafia» abgeben. Man wagt es nicht, solches in der Basilicata mit einem Namen zu bezeichnen.

In den Städten ist zwar viel moderne Entwicklung, wirtschaftliche Innovation zu beobachten, selbst die Filmindustrie will dafür sorgen, dass die Jungen im Lande bleiben, der Tourismus zieht an und dann ist da noch die Kulturhauptstadt – doch wer profitiert wirklich davon, besteht wirklich Chancengleichheit, wenn selbst auf Poststellen offenbar Jobs in der Familie vererbt werden?

Das Geld lockt auch noch auf eine andere Weise: Lassen wir die üblichen Dinge wie Deponien und Abfall, den man oft schwer im Griff hat, das Bauwesen einmal beiseite, geht es nun vor allem um Erdöl in offenbar rauen Mengen, die unter Lukaniens altem Boden schlummern. Eindeutig eine Gefahr für die vielgepriesene ursprüngliche und wilde Landschaft sowie traditionelle landwirtschaftliche Produktion – unbezahlbarere Schätze, die sich im Abseits der Geschichte bewahren konnten, eine Insel der besonderen Lebensqualität und heute wichtige wirtschaftliche Standortfaktoren. Ganz abgesehen von der Gesundheit.

Was Margherita wohl von all dem weiss? Sie merkt bestimmt, dass sich die Zeiten geändert haben. Gewisse Dinge sind aber auch geblieben. Um zu überleben, muss man schlau sein – das sagte mir auch mein Vater immer wieder. Sie wusste wohl, auf welche Leute sie sich und auf welche Weise einlassen sollte, um ihr Leben in dieser Abgeschiedenheit in relativer Ruhe führen zu können. Käse kann beruhigend wirken.

Vielseitige Förderung des Herzens im Süden

«Ma si c‘ vuò pensà» – «Wenn Du an all das denken wollen würdest …» Bleiben wir bei den erfreulicheren Dingen. Und so sind den letzten Jahren verschiedene Formen und Initiativen entstanden, die Basilicata und seine landschaftlichen, kulturellen und kulinarischen Besonderheiten zu fördern und bekannt zu machen. Die wachsende Wertschätzung für das wiederentdeckte Herz Süditaliens inspiriert aber nicht nur die Tourismus- und Nahrungsmittelbranche; die Gegend zwischen den beiden Meeren wird auch im digitalen Zeitalter von der Filmindustrie als atemberaubende, eben analoge und authentische Kulisse geschätzt. Zur Förderung der Wertschätzung nach und von aussen gehört auch die Selbstfindung: die Liebe zum eigenen Land; die Basilicata beflügelt darum auch Künstlerinnen und Künstler aller Genres mit ihren Charakteristika, ihrer Verbundenheit zu diesem besonderen Flecken Erde Ausdruck zu verleihen. Nun auch musikalisch – und wie: Ich habe gleich vier Hymnen gefunden, die auf je eigene Weise der «Schweiz Italiens» ein musikalisches Gemälde widmen und ihr kulturelles Erbe, die Traditionen, die Tafel typischer Speisen und Wein, die Landschaft be- und vertonen.

I – Die Hymne an das rurale Leben

Ein kurzes, etwas sarkastisch klingendes Lachen, dann fasst sich der Sprecher im Intro des ersten Liedes: «Ja, ja – lach Du nur. – Es ist leicht, Italiener zu sein. – Aber ich, ich bin Lukaner!» – Eine kurze Pause mit einer komischen Mimik des Schreckens. Was jetzt? Als mittlerweile erfahrener Fahrender assoziiert man diese Aussage schlagartig wieder zum leider allzu oft gehörten «Lamento Lucano» der besonderen Art: Hier gibt es nichts, wir haben nichts, hier funktioniert nichts, wandert aus. Und tatsächlich lauten die ersten drei Zeilen des nun erklingenden Liedes in diese Richtung: «Das Leben gibt mir kein bisschen Ruhe, das Leben gibt mir keinen Hoffnungsschimmer, das Leben gibt mir nicht …», die Leute im Video hängen trist herum.

Aber der Sänger scheint sich zu besinnen: «Ach, wenn Du an all das denken wollen würdest …»; die Klage würde nicht enden, nicht wahr? Ich schmunzle an dieser Stelle, denn dass es kein Klagelied wird, das ahnt man am einsetzenden Rhythmus; die Musik spricht eine andere Sprache. Ein wundervolles Stilmittel und in seiner Wirkung eine Erinnerung daran, dass es einst in der Basilicata trotz aller Mühsal auch musikalisch zu- und hergegangen ist und Musik als Sprache der Emotionen immer wichtige Funktionen für Individuen und Gemeinschaft hatte. – Die einsetzende Melodie setzt ein Zeichen und sagt gleich, worum im Lied gehen wird: Es soll uns gut gehen. Und wir wissen auch, wie es geht: Indem man sich auf das besinnt, was man hat. «Fiore di Lucania» – das Beste, was Lukanien zu bieten hat, so in etwa die Übersetzung des 2016 erschienenen Titels. Eine Gruppe Musizierender hat sich für das Lied eigens zusammengefunden und es macht wirklich Lust, reinzuhören. Etwas Werbung für Tourismus und natürlich Promotion für landwirtschaftliche Produkte – zugegeben; es stehen ja auch entsprechende Organisationen dahinter. Trotzdem, es ist mehr, gerade weil es Musik mit ganz klassischen lukanischen Elementen in Melodie, Rhythmen, aber auch Instrumenten ist: Es ist eine Hymne an das rurale Leben. Ein Leben, das man bis vor nicht langer Zeit als überholt und rückständig verschmäht und heute in neuen Formen als eigenen Schatz wiederzuentdecken begonnen hat.

Mit dem Einsetzen der Melodie erheben sich die Leute im Video von ihrer Tristesse und plötzlich setzt eine fröhliche Tavolata ein. Das Lied soll eine Botschaft der Vorzüglichkeit und des Wohlbefindens sein. Und das geht natürlich durch den Magen, allein die Aufzählung einiger ausgewählter Produkte ist für sich voller Klang. Horaz hätte am Fusse des Vulture seine Freude daran, Pythagoras in Metaponto würde wohl die Würste und ganz besonders die Bohnen wieder aus dem Text streichen lassen. Weitere Strophen könnte man mit unzähligen nicht genannten Produkten schreiben. Doch, kein Wort über das, was fehlt, daran halte auch ich mich: «Fammi stare bene» – Ich will, dass es mir gut geht, wie es im Refrain immer heisst.

Reinhören: «Fiore di Lucania» (Unione Musicisti di Basilicata, Gal C.S.R. Marmo Melandro)[1]

 

La vita nu m‘ dà nu poc d pac.

La vita nu m‘ dà nu poc d luc.

La vita nu m‘ dà, nu me dà, nu me dà …

Ma si c‘ vuò pensà …

E si fa tropp fridd p‘ tutt l’inverno

 

m‘ mang lu furmagg d‘ Molitern.

E se a Muro Lucan scav nu purtus,

t zompa assopa li man nu sort d‘ tartuf,

E se ti voui levare la cammis,

t rong u‘ Peperon d‘ Senis

 

Famm sta buon e numm fa pensà,

a tutte chelle cos ca la vita nun me dà,

nun me dà num me dà e nun me dà

 

E quann a medicina è troppo amara,

attaccat a‘ nu‘ cap‘ e salame e Cancellara

Iuorno e notte, sera e matina.

A meglia cura è l’olio ‘e Ferrandina.

E se ti vuoi sentire nu‘ Re ntà nù castello,

nu‘ t’a‘ d’a‘ mai mancà a zopersata di       Rivello

 

Famm sta buon e numm fa pensà

a tutte chelle cos ca la vita nun me dà,

nun me dà num me dà e nun me dà.

 

E si ma lass sul e te ne vai luntan,

m‘ mang u‘ pecurin d‘ Filian.

E po p‘ fin‘ e diavul d‘ lu ‘nfiern‘

sì vulessr abbuffà cu a‘ sauzizz d‘ Piciern‘.

E p‘ m‘ fa passà da cuorp‘ chesta smania,

m‘ magn‘ ‘u fior fior d‘ la terra d‘ Lucania.

 

 

Famm sta buon e numm fa pensà

a tutte chelle cos ca la vita nun me dà,

nun me dà num me dà e nun me dà.

 

Int’a li giardin addò s‘ zappa e nun s’abbal,

a Tursi e Montalbano ‘ncappa ‘ncappa ‘u       purtuall.

E si attuorno a Satriano uè ti passa ‘u       pensierino,

ma quante ne combina stu peperoncino.

E po pe t’aggiustà sta vocca doce e bella,

nun ce sta niente e meglio c’o‘ percoco ‘e       Rotondella.

 

Famm sta buon e numm fa pensà

a tutte chelle cos ca la vita nun me dà,

nun me dà num me dà e nun me dà.

 

Rionero, Rapolla, Barile e Venosa:

La mano e lu bicchier so‘ ‘na sola cosa.

E propt lì vicin sott‘ alla montagna

c‘ sta la grande Melfi e nu mar d‘ castagn.

E se quelli di Sarconi so‘ senza virtù,

saranno i fagioli a fargli fare boom boom!

 

 

Famm sta buon e numm fa pensà

a tutte chelle cos ca la vita nun me dà,

nun me dà num me dà e nun me dà.

 

E po‘ nun te‘ dico e po‘ nun t‘ conta

ma quant’è rossa rossa ‘a mulignan d‘       Rontonda.

E Primm‘ si scinn‘ e po‘ s’acchian‘.

È qua ‘o casecavall‘ e Pescopagan‘.

Ma quann’e‘ sera attuorno a cimminera,

t‘ basta ‘nu stuozzo e‘ pan‘ d‘ Matera.

 

Famm sta buon e numm fa pensà

a tutte chelle cos ca la vita nun me dà,

nun me dà num me dà e nun me dà.

 

Das Leben gibt mir kein bisschen Ruhe.

Das Leben gibt mir keinen Hoffnungsschimmer.

Das Leben gibt mir dieses und jenes nicht …

Aber wenn Du an all das denken wollen würdest …

 

Und ist es auch über den ganzen Winter viel zu kalt,

genehmige ich mir den Käse von Moliterno.

Und wenn Du in Muro Lucano ein Loch gräbst,

da springen dir die Trüffel nur so in die Hände.

Und wenn Du dich deines Hemdes entledigen willst,

reiche ich dir einen Peperone von Senise.[2]

 

Sorg lieber dafür, dass es mir gut geht und lass mich nicht denken – an all die Dinge, die mir das Leben nicht gibt,

mir nicht gibt, mir nicht gibt, und: mir nicht gibt.

 

Und ist auch die Medizin zu bitter,

gib dich hin einem Zipfel Salami[3] von Cancellara,

Tag und Nacht, am Abend und am Morgen.[4]

Die beste Kur ist das Öl von Ferrandina.

Und wenn Du dich wie ein König in einem Schloss fühlen willst, lass dir nie die Soppressata[5] von Rivello fehlen.

 

 

Sorg lieber dafür, dass es mir gut geht und lass mich nicht denken – an all die Dinge, die mir das Leben nicht gibt,

mir nicht gibt, mir nicht gibt, und: mir nicht gibt.

 

Und wenn Du mich alleine lässt und weit weg gehst,

gönn ich mir den Pecorino von Filiano.

Und zu guter Letzt: Die Teufel in der Hölle würden sich die Bäuche mit der Salsiccia von Picerna[6] vollschlagen.

Um mich von all‘ dieser Unruhe zu befreien,

darum verleibe ich mir das Allerbeste auf Lukaniens Boden ein.

 

Sorg darum dafür, dass es mir gut geht und lass mich nicht denken – an all die Dinge, die mir das Leben nicht gibt,

mir nicht gibt, mir nicht gibt, und: mir nicht gibt.

 

In den Gärten, da wird gehackt und nicht getanzt.

In Tursi und Montalbano schnapp, schnapp dir die Orangen,[7]

und wenn dich in der Nähe von Satriano ein kleiner Gedanke verführt,

ha, was dieser Peperoncino alles anzurichten vermag.[8]

Und, um dir den Mund mit Süssem und Schönen zu reinigen,

da gibt es nichts Besseres als den Pfirsich von Rotondella.

 

 

Sorg dafür, dass es mir gut geht und lass mich nicht denken – an all die Dinge, die mir das Leben nicht gibt,

mir nicht gibt, mir nicht gibt, und: mir nicht gibt.

 

Rionero, Rapolla, Barile und Venosa:

Die Hand und das Glas, sie kennen nur das eine.[9]

Und eben da, am Fuss des Berges,

da liegen das grosse Melfi und ein Meer von Kastanien.

Und sollten die Leute in Sarconi so ganz kraftlos sein,

die Bohnen werden das Ihre tun, was sie dazu treibt, «bumm bumm» zu machen…

 

Sorg lieber dafür, dass es mir gut geht und lass mich nicht denken – an all die Dinge, die mir das Leben nicht gibt,

mir nicht gibt, mir nicht gibt, und: mir nicht gibt.

 

Und schliesslich: Ich kann dir nicht sagen, nicht erzählen,

wie unglaublich rot die Auberginen von Rotonda sind.

 

Mal steigt man hinab, dann wieder hinan.

Und siehe da: der Caciocavallo von Pescopagan.

Wenn es dann um den Kamin herum eindunkelt,

reicht dir auch ein Stück des Brotes von Matera.

 

Sorg darum dafür, dass es mir gut geht und lass mich nicht denken – an all die Dinge, die mir das Leben nicht gibt,

mir nicht gibt, mir nicht gibt, und: mir nicht gibt.

 

«Fammi stare bene …». Lass mich nicht an all das denken, was mir das Leben nicht gibt. Der Refrain wird zum Ohrwurm und ich denke wieder an Margherita: «Basta che si sta bene». Wie wahr.

II – Die Hymne an den Glauben an sich selbst

Aber so wenig, wie sich das Wohlergehen in gutem (und genügend vorhandenem) Essen erschöpft, so wenig besteht die Basilicata nur aus ihren enograstronomischen Besonderheiten. Den Reigen der Hymnen an dieses Land hat bereits – lassen wir hier einmal Horaz und andere Dichter aus – Rocco Papaleo 2010 eröffnet, als er der Gegend zwischen den beiden Meeren mit seinem Roadmovie «Basilicata Coast to Coast» eine eigene Bühne gab. Kritisch, aber witzig und in seinem Dialekt singt er am Schluss des Filmes vom fälligen Befreiungsschlag. Der Glaube an die (eigene) Rückständigkeit ist Kopfsache! «Basilicata is on my mind!» Dass Christus nicht nach Eboli kam, ist nicht die Schuld Lukaniens und eigentlich hat das Land genug eigene Vorzüge und vor allem genug von zugeschriebenen und angeeigneten Fremdbildern. Die Wanderer haben auf ihrem Weg erkannt, wer sie sind – und vor allem: wer sie nicht sind. Ist die Basilicata in vielem nicht eher Teil Kleinasiens als Europas, wie der Sänger am Schluss ironisch bemerkt? Aber es ist wie bei der Frittata, was im Film auch thematisiert wird: Ein gutes Sandwich aus Mutters Eieromelette und Brot ist so gemacht, dass man nicht weiss, wo das Brot aufhört und die Frittata beginnt.[10]

Reinhören: «Basilicata on my Mind» (Rocco Papaleo)

(Text und Melodie von Rita Marcotulli, CD mit Soundtracks zum Film von Alice Records, 2011, im Handel erhältlich; Infos hier).

 

Se Cristo si e‘ fermato ad Eboli,

a colpa di ku e‘?

E certo nun e‘ da nostra,

nui lu vulimu bene.

L’avimu preparet

na festa granna grann,

varil i vin e ang’net

ca par i Capodann.

Cristo nun e’v’nut.

N’aviss t’avv’se‘.

Ng‘ amu rimasu brutt.

A rrobba s’e‘ iettet.

Ma pur senza prut’zion

da fe‘ n’ammu det;

E dall e dall e dall

n’ammu cacciat u chep …

 

Ba ba Basilicata, ba ba Basilicata.

Tu che ne sai, l’hai vista mai.

Basilicata is on my mind.

(n’ata vot).

 

U Pepa s’a nt’rsset

e n’ha telefonet.

N’a ditu d’sta quit,

n’aver’t aiutet,

e nui p’sta quit.

P n’aiute‘ a r’sist.

Senza r‘ dic nind,

n’ammu fattu buddist …

 

Ba ba Basilicata, ba ba Basilicata.

Tu che ne sai, l’hai vista mai.

Basilicata is on my mind.

(n’ata vot).

 

Dass Christus nur bis Eboli kam,

wessen Schuld ist es?

Sicher nicht unsere,

wir mögen ihn.

Wir haben ihm ein riesiges Fest vorbereitet.

 

mit Wein und Süssigkeiten

als sei Silvesternacht.

Christus ist aber nicht gekommen.

Hätte er uns wenigstens benachrichtigt …

Wir wurden arg enttäuscht.

Das ganze Essen, weggeschmissen.

Aber auch ohne seinen Segen

haben wir uns angestrengt;

Und mit etwas Ausdauer

haben wir es auch geschafft.

 

Ba ba Basilicata, ba ba Basilicata.

Was weisst Du denn schon, hast sie nie geseh’n.

Basilicata ist in meinen Gedanken.

(und noch einmal).

 

Der Papst hat sich für uns interessiert

und hat angerufen.

Er hat uns gesagt, wir sollen beruhigt sein,

er würde uns helfen,

uns allen, um wirklich beruhigt zu sein.

Und er würde uns helfen, durchzuhalten.

Ohne ihm etwas zu sagen,

haben wir uns schliesslich zu Buddhisten erklärt.

 

Ba ba Basilicata, ba ba Basilicata.

Was weisst Du denn schon, hast sie nie geseh’n.

Basilicata ist in meinen Gedanken.

(und noch einmal).

 

Das eben erwähnte Lied von Papaleo ist aber auch Teil einer längeren Version, die in Italienisch gesungen wird und die aus einem gesprochenen Intro sowie einem ironischen Schlussatz besteht. Darin wird der Dialektteil eingebunden und ebenfalls auf Italienisch übersetzt.

Reinhören: «Basilicata on my Mind» – Langversion

Va bene confesso:

Sono nato in Basilicata …

Si, la Basilicata esiste … esiste.

È un pò come il concetto di Dio:

Ci credi o non ci credi.

Io credo nella Basilicata, una grande Basilicata,

una Basilicata che estende i suoi confini fino a Foggia, fino a Salerno.

La Basilica … grandi pascoli …

Perché la Basilicata ha bisogno di orologi,

ha bisogno di mucche, ha bisogno di cioccolato,

altrimenti non sarà mai la Svizzera del Sud …

 

Dice la Basilicata …

La Basilicata è stanca della sue incongruenze.

La Basilicata si sta chiedendo …

– perché la Basilicata è una regione riflessiva,

una regione che ragiona –

La Basilicata si sta chiedendo:

Ma come mai in una regione dove la DC è sempre stata oltre il quaranta per cento non c’è la mafia?

 

Ma dateci la nostra fetta di mafia!

 

Dice… La Basilicata:

La Basilicata è stanca di Cristo che si è fermato ad Eboli …

Per carità è un bel libro, però vorrei vedere i Romani se Carlo Levi avesse scritto Cristo si è fermato a Orte…

 

 

Comunque grazie Carlo, è anche merito tuo se la Basilicata ora ha un inno.

 

Finalmente ha alzato la testa.

Ha un inno che si è scritto da sola perché la Basilicata senza falsa modestia è una regione che ragiona,

 

una regione che compone parole struggenti, il Lucano medio.

 

Perché la Basilicata parla la lingua del suo popolo ma al tempo stesso vuole essere

compresa da tutti e allora ha chiesto a Rocco Papaleo e famiglia di tradurre le parole del suo inno.

 

Noi lo faremo …

La Basilicata dice:

 

[…]

 

E comunque alla Basilicata non le interessa di entrare in Europa –

casomai in Asia…Minore!

Also, ich gestehe:

Ich bin in der Basilicata geboren …

Ja, die Basilicata, sie existiert.

Es ist etwas wie das Konzept «Gott»:

Du glaubst daran oder eben nicht.

Ich glaube an die Basilicata, eine grosse Basilicata. – Eine Basilicata, deren Grenzen sich bis Foggia, bis Salerno erstrecken.

Die Basilicata … Weite Weidefelder …

Weil die Basilicata Uhren braucht,

sie braucht Kühe, sie braucht Schokolade,

sie könnte sonst kaum je als Schweiz des Südens gelten.

Die Basilicata sagt, sie sei all ihrer Widersprüchlichkeiten müde.

Die Basilicata fragt sich …

Sie tut das, weil die Basilicata eine besinnliche Gegend ist, eine Gegend, die nachdenkt – also, die Basilicata fragt sich,

wie es kommt, in einer Region, wo die DC (Democrazia Cristiana) immer über 40 % [Wähleranteile) hat, es keine Mafia haben soll.

So gebt uns doch eine Scheibe dieser Mafia ab!

 

Weiter sagt die Basilicata:

Die Basilicata hat genug von Christus kam nur bis Eboli … Bewahre, ein schönes Buch. Aber ich würde gerne die Römer hören, wenn Carlo Levi Christus kam nur bis Orte[11] geschrieben hätte.

 

Jedenfalls danke, Carlo. Es ist auch dein Verdienst, dass die Basilicata nun eine Hymne hat.

Endlich hat sie ihren Kopf erhoben.

Sie hat eine Hymne, die sich von alleine geschrieben hat, denn ohne falsche Bescheidenheit: Es ist eine Region, die nachzudenken weiss. Eine Region, die herzzerreissend zu dichten weiss – der durchschnittliche Lukaner.

Weil die Basilicata die Sprache seines Volkes spricht, aber doch gleichzeitig von allen verstanden werden möchte, hat sie Rocco Papaleo und Familie (Band) gebeten, seine Hymne zu übersetzen.

Das werden wir nun tun.

Also, die Basilicata sagt:

 

[Folgt der Text des obigen Liedes in Italienisch]

 

Wie auch immer: die Basilicata interessiert sich eigentlich nicht dafür, Teil Europas zu sein –

gegebenenfalls Asiens … Kleinasiens!

 

III – Die Hymne der daheim Gebliebenen

In der Basilicata lässt sich eine lebendige Musikkultur entdecken. So nimmt etwa Jazz gerne alte Volksmusikelemente wieder auf, die Karnevalskultur erfreut sich grosser Popularität. Aber fast etwas unerwartet ist, dass sich auch Reggae an das «Genre» Hymne wagt. Warum auch nicht? Unter dem Namen «Lukania» der Gruppe «Krikka Reggae» aus Bernalda, die verschiedene Aspekte des Südens in ihren Liedern thematisiert, erscheint schon 2012 ein fröhliches Lied, das von der Basilicata erzählt – in der sie leben.

Reinhören: «Lukania» (Krikka Reggae)

 

Io vivo in Lucania,

vengo dalla Lucania.

Per chi non la conosce

o non l’ha ancora visitata,

al centro tra la Puglia,

la Calabria e la Campania

c’è la Basilicata,

bellezza inesplorata.

 

La sua unica bellezza

voglio che sia valorizzata.

La sua unicità

voglio sia riconosciuta.

Ricca, rigogliosa

per chi da sempre l’ha sfrutta.

Ma per chi l’abbandona,

terra madre e disperata.

La sua ricchezza storica

deve essere apprezzata.

Rimarrai colpito dalla nostra ospitalità.

La gente è di cuore;

tutto quello che può ti dà.

Se vieni qua,

poi non te ne va mai.

 

Strade piene di storie e d’autenticità,

volti e sorrisi pieni d’umanità,

dispensano consigli, proverbi, saggezze, ricette,

e regalano memoria.

I sapori che qui trovi,

non te lassano mai.

Del cibo qui ne apprezzi

la sua genuinità.

Poeti, scrittori, registi, attori,

della mia gente ne esalta …

 

Io vivo in Lucania,

vengo dalla Lucania.

Per chi non la conosce

o non l’ha ancora visitata,

al centro tra la Puglia,

la Calabria e la Campania

c’è la Basilicata,

bellezza inesplorata.

 

Ich lebe in Lukanien.

Ich komme aus Lukanien.

Wer sie nicht kennt

oder sie noch nicht besucht hat,

im Herzen zwischen Apulien,

Kalabrien und Kampanien,

da liegt die Basilicata,

diese unerforschte Schönheit.

 

Seine einzigartige Schönheit,

ich möchte, dass man sie wertschätzt.

Seine Einzigartigkeit,

wünsch ich mir, sie werde anerkannt.

Reich, üppig,

für den, der sie schon immer auszubeuten wusste.

Aber für den, der sie verlassen,

Heimatland und verzweifeltes Land.

Ihr historischer Reichtum

soll geschätzt werden.

Du wirst von unserer Gastfreundschaft beeindruckt sein. Die Menschen sind vollen Herzens;

was immer sie können, das geben sie dir.

Kommst Du hierher,

Du wird nicht mehr gehen wollen.

 

Wege voller Geschichte und Authentizität,

Gesichter und Lächeln, voll von Menschlichkeit,

sprühend voller Ratschläge, Redensarten, Weisheiten, Rezepte; sie schenken Erinnerung.

Geschmäcke, die Du hier findest,

Du wirst sie nicht mehr los.

Du wirst des Essens Unverfälschtheit schätzen.

 

Dichter, Schriftsteller, Regisseure, Schauspieler,

mein Volk erfreut sich einiger von ihnen …

 

Ich lebe in Lukanien.

Ich komme aus Lukanien.

Wer sie nicht kennt

oder sie noch nicht besucht hat,

im Herzen zwischen Apulien,

Kalabrien und Kampanien,

da liegt die Basilicata,

diese unerforschte Schönheit.

 

IV – Die «Nationalhymne» in modernem Gewand

Wem das schon wieder etwas zu «Sturm» war, der kann sich noch die vierte Trouvaille anhören, die von Melodie, Bildern im Video, vor allem aber auch vom Text her schon eher dem klassischen Bild einer Hymne entspricht. Das Lied heisst auch so: «Inno alla Basilicata». Mit viel Pathos, Gefühl und poetischen Anspielungen, vor allem auf die landschaftlichen Impressionen, zeigt die Sängerin Isa (Isabella Tortoriella) Schönheiten, aber auch Brüche, Widersprüchlichkeiten und Hoffnungen auf. Zusammen mit dem Video ein Augen- und Ohrenschmaus.

Reinhören: «Inno a la Basilicata» (Isa, Tea Production)

Einen so poetischen Text adäquat zu übersetzen, ist nicht ganz einfach. Ich versuche es im Folgenden so:

 

Se vuoi patria, terra sarà.

Se vuoi aria, vento sarà.

Carezzando le colline, pioggia diventerà.

Carezzando le montagne, neve diventerà.

 

La storia nel mito, si mescolerà.

Nell’oro, il petrolio, si confonde già.

 

La vita che scorre nel suo grande mare, nell’ acqua si ritroverà.

Il sole già danza, ma senza le stelle, e il fuoco riaccenderà

 

Basilicata viva

Basilicata vera

Basilicata amara

Basilicata dolce

 

La vita che scorre nel suo grande mare, nell’ acqua si ritroverà.

Basilicata mia sai di libertà.

Sai di libertà.

 

La notte, col giorno, si confonde già.

Il sangue, col vino, si mescola già.

 

Nel buio del tempo un grido si perde, col giorno si ritroverà.

Il cielo già danza insieme alle stelle.

Presto già l’alba sarà.

 

Basilicata viva

Basilicata vera

Basilicata amara

Basilicata dolce

 

Nel buio del tempo un grido si perde col giorno si ritroverà.

Basilicata mia sai di libertà.

Sai di libertà.

 

La tua forza è la natura, la tua forza è la cultura che nessuno, sai, fermare mai potrà.

La tua forza è la natura, la tua forza è la cultura che nessuno, sai, fermare mai potrà.

La tua forza è la natura, la tua forza è la cultura che nessuno, sai, fermare mai potrà

La tua forza è la natura, la tua forza è la cultura che nessuno, sai, fermare mai potrà

 

Basilicata viva

Basilicata vera

Nel buio del tempo un grido si perde col giorno si ritroverà.

Basilicata mia sai di libertà.

Sai di libertà.

Suchst Du Heimat, Erde wirst du finden.

Willst Du Odem, Wind wird es sein.

Streicht er über die Hügel, wird er zu Regen.

Streichelt er die Berge, wird er zu Schnee.

 

Die Geschichte vermischt sich mit Mythen.

Gold und Erdöl werden bereits eins.

 

Das Leben, das ins grosse Meer fliesst, im Wasser findet es sich wieder.

Die Sonne flimmert bereits, aber ohne Sterne, und sie entfacht das Feuer neu.

 

Lebendige Basilicata

Wahrhaftige Basilicata

Bittere Basilicata

Liebliche Basilicata

 

Das Leben, das ins grosse Meer fliesst, im Wasser findet es sich wieder.

Meine Basilicata, Du schmeckst nach Freiheit.

Du schmeckst nach Freiheit.

 

Bald geht die Nacht in den Tag über.

Der Wein geht ins Blut über.

 

Im Dunkel der Zeit verliert sich ein Schrei, bei Tageslicht taucht er wieder auf.

Der Himmel flirrt schon mit den Sternen.

Bald bricht der Tag an.

 

Lebendige Basilicata

Wahrhaftige Basilicata

Bittere Basilicata

Liebliche Basilicata

 

Im Dunkel der Zeit verliert sich ein Schrei, bei Tageslicht taucht er wieder auf.

Meine Basilicata, Du schmeckst nach Freiheit.

Du schmeckst nach Freiheit.

 

Weisst Du, deine Kraft ist die Natur, deine Stärke ist die Kultur, die niemand, aufhalten kann.

Weisst Du, deine Kraft ist die Natur, deine Stärke ist die Kultur, die niemand aufhalten kann.

Weisst Du, deine Kraft ist die Natur, deine Stärke ist die Kultur, die niemand aufhalten kann.

Weisst Du, deine Kraft ist die Natur, deine Stärke ist die Kultur, die niemand aufhalten kann.

 

Lebendige Basilicata

Wahrhaftige Basilikata

Im Dunkel der Zeit verliert sich ein Schrei, bei Tageslicht taucht er wieder auf.

Meine Basilicata, Du schmeckst nach Freiheit.

Du schmeckst nach Freiheit.

 

 

 

PS: V und andere

Ich habe den Begriff «Hymne» bewusst nicht definiert. Streng genommen gäbe es in der Musikgeschichte Dutzende Lieder, die Aspekte des Landes besingen. Auch ein Lied über Briganten «Brigante se muore» wird ohne weiteres als «inno» bezeichnet.

Da wäre aber vielleicht sogar noch ein fünftes Lied, das man unter den Liedern an die Basilicata aufzählen könnte. Mit dem Unterschied, dass der 1979 erschienene Titel nicht von einem Lukaner intoniert wird, sondern sozuagen von aussen kommt: Eugenio Bennato mit Band Musicanova singt auf dem Album «Brigante se more» über das Land im Süden in den poetischen Strophen des Liedes «A la terra di Basilicata». Trotzdem zähle ich das Stück nicht zu den Hymnen, da es noch zu den eher melancholischen Betrachtungen dieses Landes der Schlangen und der Tarantella gehört. Das unbekannte Land, nicht von Christus, aber vom Teufel besucht, ein Land, das keinen Krieg kennt, da nie Frieden herrschte – und so weiter.

(Text und Beschreibung des Liedes: https://www.antiwarsongs.org/canzone.php?id=37923).


Bleiben wir bei den Liedern der letzten Jahre: Es ist eine gefühlte Freude, wie man dieses Land besingen kann. Kaum habe ich das Manuskript beendet, taucht 2018 schon die nächste Hymne an Matera auf: «Vieni a Matera e il sogno si avvera» – «Komm nach Matera und der Traum wird sich erfüllen.» Link und Text finden sich hier: http://giornalemio.it/cronaca/video-e-inno-vieni-a-matera-e-il-sogno-si-avvera/

Keine falsche Bescheidenheit eines aus der Unsichtbarkeit ans Licht getretenen Landes mit zwei Namen – Lukanien und Basilicata – und tiefgründiger Vergangenheit! «Basta che si sta bene!»

 

Hinweis – 14.1.2019: Der vorliegende Text wurde im Rahmen des Blogprojekts «Terra di Matera: Basilicata – Reisen, Gedanken und Erinnerungen» geschrieben und gilt nunmehr als nicht mehr weiter bearbeiteter oder korrigierter Entwurf für das Buch «Matera, die Basilicata und ich: Ein persönlicher und literarischer Reisebegleiter auf der Suche nach dem mystischen Herzen Süditaliens».
Alle mit diesem Hinweis gekennzeichneten Kapitel wurden für das Buch inhaltlich überarbeitet, mit Ergänzungen versehen und sprachlich korrigiert und erscheinen damit gedruckt in lektorierter Form. Freuen Sie sich auf mehr Lesevergnügen!


 

[1] Alle transkribierten Texte ohne Gewähr, so getreu wie möglich wiedergegeben. Die Übersetzungen sollen einen Eindruck verleihen und haben keinen Anspruch, die zum Teil im Dialekt viel schöner klingenden Texte ebenso poetisch in Deutsch wiedergeben zu wollen. – Alle Liederlinks geprüft am 22.5.2018.

[2] Ein Wortspiel: camicia ist wohl das Hemd, im Dialekt aber auch eine Bezeichnung für die Peperoni von Senise (vgl. den Artikel zum Peperone Crusco).

[3] Gemeint ist eigentlich eine Salsiccia. Salami ist in der Regel eine etwas feiner und anders gewürzte Wurst.

[4] Dass das Reden und Schwärmen über das Essen eine erotische Note hat, ist in Italien oft gewollt; ich habe mir erlaubt, das in der Weise der Übersetzung so zu unterstellen.

[5] Ähnlich wie eine Salsiccia, aber etwas gröber, mit einem Gewicht während des Reifeprozesses beschwert, wie es der Name sagt. Im Deutschen etwas grob als «Presssack» übersetzt.

[6] Diese und andere Sorten Salsiccia bei uns seit langer Zeit als «Lucanica» bekannt; gibt es mild – und hier wohl gemeint: in scharfer Variante.

[7] Nein, mit Portugal hat das hier direkt nichts zu tun. In der Basilicata wächst eine Orangensorte, die so heisst (i partajall), die einst von den Sarazenen eingeführt worden war und sich hier weiterentwickelt hat. Die einzigartige Frucht hat unterdessen DOP-Status und wächst nur in Tursi und Montalbano.

[8] Wieder ein Peperone Crusco – hier von Satriano. Was die Dichter mit diesem Satz meinen bzw. worauf sie anspielen, muss hier offen bleiben. Ist der Peperoncino gut, um Sorgen zu vertreiben oder ist gemeint, dass einem das Wasser im Mund zusammen läuft, wenn man in der Nähe des Dorfes ist und an ebendiesen denkt.

[9] Den Aglianico, der Wein, der seit den Griechen hier prächtig gedeiht.

[10] Die Philosophie dieser Speise im Detail: https://www.youtube.com/watch?v=YG_THZzXvLE – Link geprüft am 21.5.2018.

[11] Kleine Ortschaft, aber wichtiger Verkehrsknotenpunkt, in der Provinz Viterbo, etwas über 60 km von Rom entfernt.

5 Gedanken zu “«Basta che si sta bene» – Hymnen an die Basilicata und Oden an den Reichtum der Genügsamkeit

  1. Hallo Michael,

    bist Du noch in der Basilicata, oder sitzt schon wieder am Schreibtisch.

    Die Geschichte um Margherita ist sehr einfühlsam, wunderschön geschrieben, ich sehe Euch förmlich in ihrer Hütte. Ich kann Deine Einschätzung „nur“ teilen: die materiell armen Leute geben gerne und sind meist mit dem Leben zufrieden. Wie der 75-jährige griechische Hirte, der keine Pension bekommt und uns mit selbstgebrannten Schnaps und Orangen aus seinem Garten beschenkte.

    Auch die anderen Teile sind wieder mit viel Wissen und aus verschiedenen Blickwinkeln geschrieben, es macht Freude sie zu lesen. Jetzt kommt ein ABER: es ist mühsam für mich, den ganzen Artikel zu lesen, ich musste ein paar Mal ansetzen. Ich hätte mir drei Portionen gewünscht, die wären dann bei allen Anspruch „leichter“ verdaulich für mich gewesen.

    Ich freu mich auf die nächsten Artikel und wünsche Die eine wunderschöne Zeit, wo immer Du auch bist.

    Viele Grüße aus dem Allgäu

    Peter

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