Es sind die einfachen Dingen, die das Leben ausmachen. Und manchmal erscheinen sie so simpel, so verbreitet und kommun, dass ein Aussenstehender nur ungläubig zusehen und zuhören kann, wenn jemand davon schwärmt.[1] Bei genauerem Hinsehen, Hinhören – und Hin-Schmecken – vermag man dann vielleicht verstehen, worin das gewisse Etwas liegt.
So zum Beispiel bei der Frittata. Fast wie ein Omelett und doch ganz anders. Auf diese Weise werden Blatt- und Gartengemüse und andere Pflanzen mit genügend Eiern, Salz und Gewürzen verheiratet: Lampascioni, Spinat, sogar Brennnesseln oder gerne Wildspageln, Frühlingszwiebeln (Spunsale), Kürbis, Zucchini … Eine der klassischsten Varianten enthält Zwiebeln und Kartoffeln, allenfalls verfeinert mit etwas scharfem Peperoncino Crusco. Kurz: Nicht nur Restverwertung (was etwa mit übriggebliebenen Pasta-Gerichten denkbar ist), sicher schnell zubereitet, zum Apéro oder als Begleitung, vor allem aber auch etwas zum Mitnehmen. Dann im Brötchen, wo dann nicht nur ein Eierkuchen, sondern unter Umständen auch noch etwas mehr mitreist. Mutters Geheimrezept ist ihre Liebe.
Die Frittata gehört zweifellos zu den Hausrezepten und nur Mamma (bei mir ist es wohl der Vater) macht die beste. Es gibt da diese wundervolle Szene in Papaleos Roadtrip «Basilicata Coast to Coast», in welcher die Musiker der etwas verständnislosen Begleitung vorschwärmen und Mutters unschlagbarem Frittata-Sandwich sogar ganz unbeirrt ein Lied widmen. Am besten gelungen ist es dann, wenn sich das Brot leicht aufweicht und man nicht genau weiss, wo die Frittata aufhöre und das Brot beginne.[2] Die wichtigste Zutat ist aber doch Mamma, denn ohne sie ist das Brötchen mit Frittata eben nur ein Brötchen mit Frittata, das nur für den Moment sättigt, ein Waisenkind, das von keiner Herkunft erzählen kann. Das Brot mit Frittata kommt von zu Hause und muss nicht perfekt sein – Überraschungen und Unvorhergesehenes sind das Salz des Lebens, ganz besonders im Süden. Ein Leben, so arrangiert wie ein Omelett.
Reinhören: «Pane e frittata di mia madre» aus dem Film «Basilicata Coast to Coast»; Text und Melodie: Rita Marcotulli):
(CD mit Soundtracks zum Film: Alice Records, 2011, im Handel erhältlich, Infos hier)
Il pane e frittata di mia madre
non si batte, perché non è che bastano due fette di pane e una frittata per fare il pane e frittata che fa mia madre.
Se al pane e frittata, che fa mia madre gli levi mia madre, rimane un panino con la frittata generico, semplice, banale, ordinario.
Se invece al pane e frittata, che fa mia madre, gli levi il panino con la frittata, rimane mia madre, che può sempre farmene un altro, che magari le viene meglio o peggio! E lì uno può fare dei paragoni; oltre al gusto del pane con la frittata c’hai il gusto della sorpresa, dell’imprevisto, che è il sale della vita e anche di quel pane e frittata. Il pane e frittata senza mia madre è orfano,
è un panino senza background, senza memoria, senza cultura. È un panino, che magari lì per lì ti sfama pure eh, però non ti appassiona, non ti fa crescere. Il pane e frittata senza mia madre è un panino ripieno di un vuoto. E alla fine lo senti quel retrogusto di un gusto che non è il tuo … |
Das Brot mit Frittata meiner Mutter
ist unschlagbar, weil es ganz einfach nicht reicht, aus zwei Brotscheiben und einer Frittata das Brot mit Frittata zu machen. Und wenn Du dem Brot mit Frittata meine Mutter wegnimmst, dann ist es eben einfach ein Brötchen mit Frittata – eines wie alle, einfach, banal, gewöhnlich. Wenn Du hingegen dem Brot mit Frittata, das meine Mutter macht, das Brötchen mitsamt Frittata wegnimmst, dann bleibt zumindest meine Mamma, die mir dann immer noch ein weiteres zubereiten kann – eines, das vielleicht sogar besser wird oder auch schlechter! Und erst dort kann man überhaupt vergleichen. Über den Geschmack des Brotes mit Frittata hinaus erahnst du jenen der Überraschung, des Unvorhergesehenen, was das Salz des Lebens ausmacht – und eben auch dieses Brotes mit Frittata. Das Brot mit Frittata ohne meine Mutter ist ein Waisenkind, Es ist ein Brötchen ohne Hintergrund, ohne Erinnerung, ohne Kultur. Es ist ein Brötchen, das dir zwar für den Moment den Hunger still, ja, aber es erfüllt dich nicht mit Leidenschaft, es lässt dich nicht wachsen. Das Brot mit Frittata ohne meine Mutter ist ein Brötchen – mit Leere gefüllt. Und zu guter Letzt schmeckst Du einen Beigeschmack eines Geschmackes, der nicht der deine ist … |
Das Titelbild ist dem oben angegeben youtube-Film entnommen worden und damit urheberrechlich korrekt verfahren worden.
Hinweis – 14.1.2019: Der vorliegende Text wurde im Rahmen des Blogprojekts «Terra di Matera: Basilicata – Reisen, Gedanken und Erinnerungen» geschrieben und gilt nunmehr als nicht mehr weiter bearbeiteter oder korrigierter Entwurf für das Buch «Matera, die Basilicata und ich: Ein persönlicher und literarischer Reisebegleiter auf der Suche nach dem mystischen Herzen Süditaliens».
Alle mit diesem Hinweis gekennzeichneten Kapitel wurden für das Buch inhaltlich überarbeitet, mit Ergänzungen versehen und sprachlich korrigiert und erscheinen damit gedruckt in lektorierter Form. Freuen Sie sich auf mehr Lesevergnügen!
[1] Ganz ähnlich wie bereits im Kapitel über die Zichorien und den Stängelkohl festgestellt, die für sich zwar etwas Wundervolles sind, aber trotzdem aufgrund des hohen Vorkommens auf den ersten Blick banal erscheinen. Der Volksmund macht aus diesem Umstand sogar Redewendungen, die Negatives bedeuten (vgl. Kapitel «Grüne Schätze – Auch Kohlköpfe können Gesundes essen»: https://terramatera.com/2018/01/14/gruene-schaetze-warten-nicht-auf-kohl-und-dummkoepfe/). Im Fall der Frittata, welche in diesem Abschnitt besprochen wird, heisst das etwa: fare una frittata (Mist bauen); das Wenden der Omelette erfordert zwar Geschick, aber: rigirare/rivoltare la frittata (den Spiess umdrehen) oder auch girare/rivoltare la frittata (die Tatsachen zu seinen eigenen Gunsten verdrehen).
[2] Die Szene ist auf youtube zu finden: https://www.youtube.com/watch?v=YG_THZzXvLE – Link geprüft am 9.8.18.
Ein Gedanke zu “Die Frittata – Alles andere als flach”